Japan ist, genau wie Deutschland, ein sehr wohlhabendes Land und gehört zu den reichsten der Welt. Trotzdem gibt es im Land viel Armut, auch wenn das Problem eher unsichtbar bleibt. Das liegt daran, dass viele Japaner kein Gesichtsverlust erleiden wollen. Finanzielle Probleme bleiben deshalb oft länger verborgen, als gut für die Betroffenen ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Schattenarmut“ in Japan. Zum Glück arbeitet die Regierung an einem stabilen Sozialsystem, das in verschiedenen Formen Unterstützung bietet. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die arme Seite des wunderschönen Japans.
Armutsgrenze und Zahlen aus Japan
Laut den Daten der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) lebten im Jahr 2021 rund 15,7 % der japanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Diese Grenze liegt bei der Hälfte des mittleren Einkommens (also der Hälfte des Durchschnittslohns). Unten findest du eine Übersicht der durchschnittlichen Gehälter nach Stadt in 2025:
Stadt | Durchschnittsgehalt pro Monat |
---|---|
Tokyo | 574.000 JPY (3.443 EUR) |
Yokohama | 564.000 JPY (3.383 EUR) |
Osaka | 555.000 JPY (3.329 EUR) |
Nagoya | 545.000 JPY (3.269 EUR) |
Fukuoka | 526.000 JPY (3.155 EUR) |
Kyoto | 505.000 JPY (3.029 EUR) |
Hiroshima | 476.000 JPY (2.855 EUR) |
Okinawa | 390.000 JPY (2.339 EUR) |
Wendet man die 15,7 % auf die Gesamtbevölkerung von etwa 126 Millionen Menschen an, ergibt sich eine Zahl von knapp 20 Millionen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Auffällig ist auch: Ein Drittel der alleinstehenden japanischen Frauen zwischen 20 und 64 Jahren lebt laut einer Regierungsstudie unter der Armutsgrenze, ein sehr hoher Wert für ein entwickeltes Land. Zudem weist Japan laut UNICEF einen der höchsten Anteile von Kindern in Armut auf. Zum Glück ist nicht alles negativ: Die Armutsquote ist in den letzten Jahren leicht rückläufig, um etwa einen Prozentpunkt pro Jahr.
Armutsbekämpfung in Japan
Von Suppenküchen wie Second Harvest bis hin zu finanziellen Hilfen durch die Regierung, in Japan wird aktiv gegen Armut vorgegangen. Aufmerksamkeit erhielt das Thema ab etwa 2012, als Premierminister Shinzo Abe seinen wirtschaftlichen Reformplan unter dem Namen Abenomics vorstellte. Ziel war es, staatliche Mittel effizienter einzusetzen und finanziell Schwächere zu entlasten, um so die Armutsgrenze zu senken.
Leider war Abenomics nicht vollständig erfolgreich. Obwohl der Wohlstand insgesamt gestiegen ist, nimmt der Anteil der armen Bevölkerung nur langsam ab. So ist zum Beispiel die Lebensmittelbank Second Harvest bis heute größtenteils auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen.
Immerhin arbeitet die Regierung daran, mehr Lebensmittelbanken aufzubauen und diese fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Ziel ist es, gleichzeitig die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, mithilfe eines modernen digitalen Systems, über das Unternehmen überschüssige Ware an Tafeln weitergeben können. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, eine durchaus innovative Lösung!
Neben den Tafeln gibt es in Japan auch eine Art staatliche Finanzhilfe, vergleichbar mit unserer Schuldnerberatung, dem Pfändungsschutzprogramm (WSNP) oder der Grundsicherung in Deutschland. So können Menschen zum Beispiel eine staatliche Unterstützung beantragen oder über die Stadtverwaltung eine Budgetberatung erhalten. Genau hier liegt allerdings das Problem der „Schattenarmut“: In Japan ist es kulturell stark stigmatisiert, Hilfe anzunehmen. Dieses japanische gesellschaftliche Problem ist nur schwer zu durchbrechen.
Zusätzlich zur Sozialhilfe und Schuldnerberatung sind die japanischen Gemeinden verpflichtet, eine bestimmte Zahl an Sozialwohnungen bereitzustellen. Damit soll der Mangel an bezahlbarem Wohnraum bekämpft werden. Wer Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, kann zudem weitere Unterstützungsleistungen wie z. B. Wohngeld beantragen.
Interessant zu wissen
Trotz der Tatsache, dass viele Menschen in Japan in Armut leben, möchten wir einige Punkte hervorheben, um die Armutsquote im weltweiten Vergleich besser einzuordnen:
- Obwohl viele Menschen finanzielle Probleme haben, ist der Lebensstandard in Japan sehr hoch. Das Land gehört zu den wohlhabendsten der Welt und steht mit seinem BIP (Bruttoinlandsprodukt) westlichen Ländern wie Deutschland oder unserem Handelspartner den Niederlanden in nichts nach.
- Die Einkommensungleichheit in Japan ist laut dem Gini-Koeffizienten (33) relativ gering, niedriger als in Deutschland (38,2). Das liegt vor allem an einer zielgerichteten Steuerpolitik und staatlicher Unterstützung, wo sie gebraucht wird.
- Die Lebenserwartung in Japan ist die höchste der Welt. Im Schnitt werden die Japaner rund 81 Jahre und Japanerinnen ca. 87 Jahre alt, in Deutschland liegt dieser Wert laut Statistischem Bundesamt bei Männern rund 78 Jahre und bei Frauen rund 83 Jahre.
- Laut Statistischem Bundesamt lag die Armutsquote in Deutschland im Jahr 2022 bei 20,9 %. Das ist etwas höher als der japanische Wert von 15,7 %, aber immer noch über dem EU-Durchschnitt von 16,2 % im Jahr 2023.
Fragen unserer Leser*innen
Wie hilft Japanischen Kindern in Armut?
Die japanische Regierung unterstützt armutsbetroffene Kinder mit Schulessen, Lernförderprogrammen und Zuschüssen für Schulmaterial. Dennoch gelten rund 1 von 6 Kindern in Japan laut UNICEF als arm, ein dringendes gesellschaftliches Thema.
Warum ist Armut in Japan so unsichtbar?
In Japan herrscht eine starke Kultur der Zurückhaltung und Scham, besonders wenn es um finanzielle Probleme geht. Viele Menschen vermeiden es, Hilfe zu suchen oder über ihre Lage zu sprechen, aus Angst, das Gesicht zu verlieren. So bleibt Armut oft lange unbemerkt.